Mithraeum

Im Bereich der Heidenmauer befand sich ein dem Mithras geweihter Tempel, den man um 1900 beim Durchbruch der Coulinstraße entdeckte. Das Mithräum stammte aus dem 3. Jahrhundert n.Chr. und liegt heute unter dem Straßenniveau.
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In den Jahren 1901/02 wurde die Heidenmauer durchbrochen, um eine Verkehrsverbindung zwischen Schwalbacher- und Taunusstraße, die heutige Coulinstraße, anzulegen. Dabei entdeckte man am Ostabhang des Schulberges ein Mithras-Heiligtum, das zum Teil in den Fels eingetieft war und auf den Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. datiert wird. Heutzutage ist der Tempel nicht mehr sichtbar und befindet sich unterhalb der Straße „Am Römertor“, die die Coulinstraße mit der Langgasse verbindet. Er hatte eine Länge von rund 13 m und eine Breite von 7,30 m. Vor dem eigentlichen Heiligtum befand sich eine kleine Vorhalle, von der einige Stufen in den Hauptraum, das einer Höhle nachgebildete Mithräum, führten. Von dem Kultbild an dessen Rückwand haben sich keine Spuren erhalten. Im benachbarten Freiluftmuseum kann man aber eine Replik aus Frankfurt-Heddernheim besichtigen, der das Wiesbadener wohl geglichen haben dürfte. Das Mithräum dürfte beim Bau der Heidenmauer aufgegeben worden sein.

Der Mithraskult war ein Mysterienkult, in dessen Mittelpunkt die Tötung eines Stiers stand. Seinen ausschließlich männlichen Mitgliedern war es verboten, Einzelheiten darüber weiterzugeben oder niederzuschreiben. Klar ist, dass man den Gott Mithras, eine ursprünglich iranische oder altpersische Gottheit, als Mittler zwischen dem guten und dem bösen Prinzip ansah; er war ausgesandt, die Welt zu erneuern und zu retten. Er gilt zudem als Sieger über den Sonnengott Helios oder Sol, mit dem er sich in einem gemeinsamen Versöhnungsmahl verbündete. Dargestellt ist Mithras meist mit einer sog. Phrygischen Mütze und einem weiten Umhang, der das Sternenzelt symbolisierte. Auch die Sternkreiszeichen, die etwa auf dem Heddernheimer Kultbild oberhalb eines Bogens abgebildet sind, verweisen auf die von Mithras beherrschte Einheit des Kosmos. Da Mithras der Legende nach in einer Felsenhöhle geboren wurde, spielte sich der Mithraskult in künstlichen und nach Westen orientierten, überkuppelten Höhlen ab, deren Decken und Wände bemalt waren – auch hier findet sich wieder der Sternenhimmel. Am Ende eines Mittelganges, zu dessen beiden Seiten die Eingeweihten auf einem Podium saßen oder lagen, befanden sich ein Altar und ein großes Wandbild oder Steinrelief. Sie zeigten in den meisten Fällen, wie Mithras einen weißen Stier zur Erneuerung der Welt tötet. Aus dem Samen und dem Blut des Stieres entsteht neues Leben, das häufig durch Ähren dargestellt wird, die aus dem Schwanz des Stieres wachsen. Kernmotiv des Kultes war der ewige Wechsel zwischen Licht und Dunkelheit, Leben und Sterben. 

Mysterienkulte erfreuten sich vor allem im politisch instabilen 3. Jahrhundert n. Chr. einer großen Beliebtheit. Dazu zählten auch reine Frauenkulte wie jene um die ägyptische Göttin Isis. Ihnen allen sind eine Verheißung auf eine bessere Welt im Jetzt oder im Jenseits sowie die Geheimhaltung der Kultpraktiken vor Nichtmitgliedern gemein.

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Blick in den Raum H des Mithraeums (14/1)
Mithras Heiligtum nach Rekonstruktion der Grabungsfunde des Museums Wiesbaden (14/2)
Mithraeumstein (14/3)
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