Der römische Stadtspaziergang
ein Projekt der Freunde der Wiesbaden Stiftung

Wiesbaden verdankt seine Entstehung den heißen Quellen und ihrer Nutzung durch die Römer.

Geschichtlicher Überblick

Schon aus dem Jahr 6/15 n.Chr. datieren Funde, die die Anwesenheit der Römer belegen. Die strategisch wichtige Lage an den Taunusübergängen führte in dieser Zeit zur Errichtung von Militärlagern, deren Reste sich in Form von Spitzgräben auf dem Heidenberg/Schulberg befinden. Sie sicherten die nördliche Flanke des großen Legionslagers in Mainz. Am Fuß des Schulberges entstand kurz darauf eine zivile Siedlung, deren Ausgangspunkt sich vermutlich im Bereich des heutigen Mauritiusplatzes befand. Aufgrund der Quellen im heutigen Stadtgebiet waren die Wiesbadener Niederungen sehr feucht und sumpfig, sodass für die ersten Siedlungsstrukturen hölzerne Plattformen auf Pfahlrosten errichtet wurden, deren Überreste bei den Grabungen am Ende des 19. Jahrhunderts noch erhalten waren. Brandschichten aus den Jahren 69/70 n. Chr. deuten auf eine Zerstörung der Siedlung durch ein Brandereignis hin. Im frühen 2. Jh. entwickelte sich Wiesbaden zu einer Art Verwaltungsmittelpunkt für ein größeres Gebiet, das Siedlungsgebiet der Mattiaker, die sog. civitas Mattiacorum. Die Verwaltung bestand aus einem Magistrat unter zwei Bürgermeistern (duoviri) sowie einem Dekurionenrat. Deren Zuständigkeit erstreckte sich auf das Gebiet zwischen dem Schwarzbach im Osten, Main und Rhein im Süden und dem Limes im Norden. Einige Angehörige dieses Gemeinderates sind durch Bau- und Weiheinschriften bekannt. In der Siedlung dürfte es öffentliche Gebäude wie ein Forum mit einer angegliederten Basilika gegeben haben, die bisher aber nicht nachgewiesen werden konnten. Der vicus blieb trotz der Aufgabe des Limes und der rechtsrheinischen Gebiete um 260 n. Chr. bis in das 4. Jh. n. Chr. hinein bestehen, vor allem die heilkräftigen Thermalbäder wurden vom 1. Jh. n. Chr.  bis in das 3./4. Jh. ununterbrochen genutzt.

Unter Kaiser Valentinian wurde für die Sicherung der Reichsgrenze am Rhein eine neuartige Verteidigungskonzeption entwickelt. In diesen Kontext gehört vermutlich der Bau der Heidenmauer parallel zu einer den vicus durchziehenden Straße. Erst der Einfall der Quaden, Alan den und Vandalen im Januar 406 n. Chr. dürfte das Ende der Siedlungstätigkeit bedeutet haben, denn der Ort Wisibada wird danach erst wieder 830 n. Chr. urkundlich erwähnt.

Einen Eindruck vom Aussehen des vicus vermittelt das Gemälde von André Brauch, "Aquae Mattiacorum/Wiesbaden um 120 n. Chr." Das 2022 im Auftrag der Stiftung Stadtmuseum entstandene Ölgemälde (105 x 140 cm) zeigt die Siedlung Aquae Mattiacorum an einem herbstlichen Nachmittag um das Jahr 120 n. Chr. Deutlich erkennt man das Steinkastell auf dem Heidenberg/Schulberg. Zu dieser Zeit ist es bereits endgültig geräumt worden, die Truppen sind an den Limes abgezogen. Einzelne Gebäude im Bereich des Kastells befinden sich im Rückbau, während der Sitz des Lagerkommandanten (praetorium) in eine Werkstatt (fabrica) umgebaut wird. An seinem Fuß hat sich im Laufe des 1. Jahrhunderts n. Chr. eine zivile Siedlung mit drei großen Badeanlagen (Thermen) entwickelt, von deren Ausdehnung man ebenfalls einen guten Eindruck erhält. In dieser Zeit steigt Wiesbaden zum Hauptort der Verwaltungseinheit civitas Mattiacorum auf. Möglicherweise befand sich am heutigen Mauritiusplatz das Forum, das sich gerade im Bau befindet. Auch die großen Thermen am Kranzplatz erfahren eine bauliche Erweiterung. - Für die Ansicht wurde eine grob südliche Perspektive gewählt.


Bildquelle 00/1

1 – Kastell Wiesbaden, 2 – Forum (Mauritiusplatz), 3 – Thermen an der Schützenhofquelle, 4 – Thermen an der Adlerquelle, 5 – Thermen am Kranzplatz/Kochbrunnen, 6 – Sirona-Heiligtum, 7 – Jupiter-Tempel, 8 – Verlauf der Schwalbacher Straße, 9 – Verlauf der Friedrichstraße, 10 – Verlauf der Wilhelmstraße, 11 – Warmer Damm, 12 – Wellritzbach, 13 – Dendelbach, 14 – Schwarzbachl, 15 – Warmer Bach, 16 – Neroberg, 17 - Röderstraße, 18 – Schulberg/Heidenberg, 19 – In Verlängerung zur Frankfurter Straße, 20 – Rathaus, 21 – Marktkirche, 22 – sam – Stadtmuseum am Markt, 23 – Opel-Bad

Der vicus Aquae Mattiacorum

Der ungefähr 25 ha große vicus, der sich zwischen Schwalbacher Straße, Friedrich- und Wilhelmstraße erstreckte, diente vor allem als Heilbad für die Mainzer Legionen. Das zeigen unter anderem die zahlreichen Soldatengrabsteine von Veteranen verschiedener Einheiten. Aber auch die Familienangehörigen der Soldaten und andere Zivilisten suchten die Heilbänder auf.

In dem ovalen, rund 700 x 450 m großen Siedlungsareal lässt sich bis heute kein klares Straßenraster erkennen. Allerdings dürfte eine der neuzeitlichen Langgasse entsprechende Trasse, deren Reste mehrfach beobachtet werden konnten, zu den Hauptstraßen gezählt haben. Die großen Thermenanlagen richteten sich nach ihrem Verlauf aus. Als nicht weniger bedeutend hat ein zweiter Straßenzug zu gelten, auf den hin sich die im heutigen Schützenhofgelände untersuchten Bauten orientieren, die schräg zu den anderen lagen. Er dürfte sich in östliche Richtung nach Hofheim fortgesetzt haben. Von der übrigen Bausubstanz des römischen vicus ist wenig bekannt. Ein Iupiter Dolichenus-Tempel könnte nach einem Weihestein von 194 n. Chr. im Adlerterrain gestanden haben. Weitere öffentliche Bauten werden an der Langgasse vermutet. Eine an der Nordseite des Mauritiusplatzes aufgefundene Inschriftenplatte belegt das Bestehen eines bislang nicht lokalisierten Vereinshauses für die Kaufleute (collegia mercatorum). Untersucht worden ist ebenfalls ein Mithras-Tempel an der Coulinstraße. Von einem hinter dem Kultbild aufgemauerten und nur von außen zugänglichen Raum aus konnte ein Priester optische oder akustische Signale geben, die der versammelten Kultgemeinde die Anwesenheit des Gottes vermitteln sollte. Im Vorort der Gebietskörperschaft (civitas) sind ausgedehnte Wohngebäude und Landgüter bekannt, die sicher zum Teil von Angehörigen der römischen Oberschicht genutzt wurden. Daneben gab es im heutigen Stadtgebiet einfachere Fachwerkbauten, die ebenso wie die spätere Steinarchitektur zumindest im Feuchtgebiet zwischen Hochstädten- und Mauritiusstraße auf Pfahlrosten gegründet waren.

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